Das Ganztages-Seminar Start-Up-Valuation in Zusammenarbeit mit der EACVA fand neulich in Wien zum dritten Mal statt. Volles Haus! 16 Teilnehmer! Alles gestandene Unternehmensbewertungsprofessionals! Das Thema interessiert die Valuation-Welt doch sehr. Und es trifft ja auch den Zeitgeist.

Es handelt sich aber auch um ein recht komplexes Thema. Kaum sonst irgendwo trifft die „alte“ Bewertungswelt (die ja im Grunde sicher nicht falsch ist) auf die „neuen“ Umstände (die unser altes Bewertungsdenken ganz schön herausfordern). Kein Wunder also, dass ich in den Seminaren einiges an Push-Backs und Fragen von den Teilnehmern erhalten habe. Hochinteressante Diskussionen waren wirklich keine Mangelware. Und das hat mir sehr geholfen, selbst viele Dinge etwas klarer zu sehen – und auch etwas anders in der Präsentation darzustellen. Auf ein paar der Fragen und Push-Backs der bisherigen Seminare will ich nachfolgend kurz eingehen:

  • Kann man Start-Ups überhaupt bewerten? Da sind so viele Unsicherheiten drin!

Natürlich kann man das! Man muss aber sehr vorsichtig mit der Unsicherheit umgehen. Nur weil man nicht viel weiß, heißt das noch lange nicht, dass man gar nichts weiß. Der Wert eines Start-Ups ist allerdings in den meisten Fällen eher ein Bereich als ein Punktwert. Manchmal (aber nicht immer) sogar ein relativ großer Bereich. Aber auch das hilft bei der Entscheidungsfindung – gerade in einer Welt, in der sich selbst viele professionelle Investoren mit der Frage nach Wertbandbreiten kaum befassen, sondern lieber dem Markt folgen wollen.

In jedem Fall gilt: a) scheinbar völlig ungreifbare Unsicherheiten erscheinen oft (allerdings leider nicht immer) nach einer etwas tiefer bohrenden fundamentalen Analyse zumindest schon viel besser greifbar, und b) sofern man es schafft, die Unsicherheiten irgendwie in für uns handhabbare Größen zu transformieren, kann man auch mit einem einigermaßen ausgeprägten allgemeinen Unternehmensbewertungsverständnis hier sehr gut punkten.

  • Discounted Cashflow (DCF) ist unpassend für Start-Ups!

Jein! In der Form, in der man es ursprünglich gelernt hat, ist das DCF-Modell wohl nicht das richtige für die Start-Up-Bewertung. Diskontierungsraten mit dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) bestimmen? Funktioniert in den meisten Fällen nicht. Einwertige Zahlungsströme über die Detailplanungsphase prognostizieren und dann abzinsen? Wird der Verteilung und Unsicherheit der Zahlungsströme meist nicht gerecht. Aber die Grundlogik bleibt auch bei Start-Ups bestehen: Der Wert des Unternehmens ist der Barwert der zukünftig erwartungsgemäß zu erzielenden Cashflows. Und so gibt es schon ein paar Herangehensweisen, wie man die Barwertsicht in die Start-Up Welt bringen kann.

  • Welche Herangehensweisen sollen das denn sein?

Eine durchaus vielversprechende Bewertungsidee bei Start-Ups ist, sich das Unternehmen einmal in einem etwas reiferen Zustand vorzustellen – beispielsweise in fünf Jahren ab dem Bewertungsstichtag. In dem Zustand (oder besser: in den Zuständen – denn es gibt schon mehrere mögliche Entwicklungspfade für Start-Ups in den nächsten Jahren) lässt sich das Unternehmen nun schon leichter bewerten, denn wir nähern uns dann dem uns bekannteren Unternehmensbewertungsumfeld an. Die möglichen zukünftigen Zustände müssen wir nun noch irgendwie sinnvoll auf den heutigen Tag diskontieren und: voilà! Ok, ok, ganz so einfach geht es nicht, da gibt es schon noch genügend Fallstricke, aber mit dieser grundsätzlichen Bewertungsidee tut man sich meist schon viel einfacher.

  • Mit welcher Diskontierungsrate/Renditeforderung soll ich denn hier reingehen?

Eine sehr häufige Frage, die regelmäßig längere Diskussionen nach sich zieht. Und das zu Recht! Es gibt ein paar Faustregeln, es gibt ein paar Erfahrungswerte, es gibt ein paar analytische Herangehensweisen. Aber so schön, wie wir im Rahmen des CAPM mit Kapitalmarktdaten arbeiten können, so unschön ist dies Datenbasis häufig bei jungen Unternehmen. Am erfolgversprechendsten ist es wohl, das Risiko der Bewertung zu splitten. Einerseits in das geschäftsmodellspezifische Risiko und andererseits in die Unschärfe unserer Vorhersagen. Erfahrungsgemäß ist man bei den geforderten Renditen für ersteres in einem Bereich, in dem man mit der „klassischen“ Bewertungserfahrung noch gut arbeiten kann. Und zweiteres wird dann über die Wertbandbreite abgebildet. Mit dieser Technik lassen sich auch High-Risk-Start-Ups mit den Grundideen der Barwertrechnung bewerten.

  • Das Management kann einem ja alles erzählen…

Ja, und das tut es auch oft. Außerdem sprechen die Gründer meist eine ganz andere Sprache als der Unternehmensbewerter (techniklastig, wenig risikoorientiert, etc.). Das zeigt aber nur, wie wichtig die analytische Bearbeitung des Themas „Management“ und „Team“ ist. Fragen die immer geklärt werden müssen: Welche ökonomische Aussage steckt denn hinter den Darstellungen des Managements (ein „10%-Wachstum“ aus dem Mund eines extrovertierten Hau-Drauf-Managers ist etwas anderes als aus dem Mund eines introvertiert-analytischen Technikers)? Wie übersetzt man denn die qualitativen Aussagen in quantitative Zahlenwerte („die Wettbewerber sind in der Entwicklung noch weit hinter uns“ kann einen kleinen Wertvorteil – oder auch einen riesigen Wertvorteil bedeuten)? Und natürlich: Muss evtl. noch an der ein oder anderen Position gefeilt werden, um das Management wirklich Start-Up-tauglich zu machen?

Dass man es aber eigentlich immer mit Leuten zu tun hat, die in der Kommunikation etwas unprofessioneller auftreten als der typische Dax-Finanzvorstand, liegt in der Natur der Sache. Damit müssen wir Unternehmensbewerter leben. Und ganz ehrlich: Damit lebt es sich für den Bewerter eigentlich ganz gut, denn durch sinnvolles Nachfragen kann man hier schon noch viel mehr bewertungsrelevante Informationen herausziehen als von einem mit allen Kommunikationswassern gewaschenen CFO im Großkonzern.

  • Ich bin Sachverständiger und muss einen Euro-Punktwert bestimmen. Geht das überhaupt sinnvoll?

Oh je! Die Killer-Frage. Und eine sehr berechtigte Frage obendrein. Ich bin selbst Sachverständiger. Die Antwort, die ich hier immer gebe: Ja, es muss gehen. Aber mit Bandbreiten fühle ich mich viel wohler. Punktwerte sind leider hier immer mit etwas Bauchschmerzen verbunden. Und auch mit etwas zusätzlicher Kalibrierungsarbeit.

  • Kann ich bitte ein Excel-Modell haben, in das ich die Zahlen eingebe und dann eine Wertzahl als Output erhalte?

Ein Klassiker! Aber so einfach geht’s leider nicht. Start-Up Valuation ist in erster Linie eine analytische Thematik. Das Verarbeiten im Modell folgt sinnvollerweise der analytischen Herangehensweise. Wer aber den analytischen Weg nicht gehen will/kann, der wird auch junge Unternehmen nicht sinnvoll bewerten können.